Grundsätzliches zur Prävention mit Kindern

Der Verantwortungsbereich der Präventionsarbeit liegt dabei bei der erwachsenen Person. Diese Aufgabe umfasst Missbrauch und Gewalt im Vorfeld zu verhindern, Hilfe bereitzustellen und bei bereits geschehenen Übergriffen daraus resultierende Folgen zu minimieren. Präventionsarbeit muss als ganzheitliche Arbeit anerkannt werden, die sich nicht nur auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen beschränkt, sondern als umfassende öffentliche Arbeit durchgeführt wird. Daher ist Prävention ein wichtiger Baustein für soziale Institutionen und unterstützt die pädagogischen Fachkräfte dabei Missbrauch, Gewalt sowie sexuelle Übergriffe frühzeitig zu erkennen und zu unterbinden.

Prävention von Missbrauch und Gewalt ist primär eine sozialpolitische Aufgabe.

Ziele der Prävention

Die Ziele der Prävention sind zum einen, Kinder und ihr Umfeld für Grenzverletzungen zu sensibilisieren und diesen Überschreitungen frühzeitig entgegenzuwirken.

Übergriffige Personen können durch selbstbewusste und für ihr Umfeld sensible Kinder abgeschreckt und das Entdeckungsrisiko erhöht werden. Zum anderen soll es Ziel der Prävention sein, dass betroffene Kinder frühzeitig Hilfe erfahren und weiteren Übergriffen entgehen können. Ebenfalls fungiert die präventive Arbeit zur Bewältigung des Erlebten. Wichtig hierbei ist es, von alten Vorgehensweisen abzusehen und auf die moderne Strategie zu setzen. Diese beruht auf dem Recht auf Informationen, Ermutigung und die positive Stärkung der kindlichen Autonomie und den Ressourcen der Kinder.

Wirksame Prävention setzt eine kontinuierliche Arbeit voraus, die Kinder in ihren Kompetenzen und Rechten stärkt. Sie sollten daher altersgemäß informiert sowie in ihrer Autonomie gestärkt werden.

Gewalt an Kindern gibt es in den verschiedensten Erscheinungsformen. Daher müssem unpräzise Maßnahmen und Verhaltensregeln vermieden werden.

Die präventive Arbeit kann nicht als Projekt gesehen, sondern muss ganzheitlich im Alltag der Institution verankert und in der Pädagogik integriert werden. Ebenfalls ist sie als allgemeine Haltung der pädagogischen Fachkräfte zu verstehen. Daher ist es von besonderer Wichtigkeit, die Kinder in ihrer Diversität und Selbstbestimmtheit ernst zu nehmen. Ebenfalls ist hierbei eine gründliche Reflexion der eigenen Professionalität und die Erziehungshaltung gegenüber den Kindern von äußerster Wichtigkeit.

Persönliche Qualifikationen

Für eine professionelle Präventionsarbeit wird eine tiefreichende Selbstreflektion vorausgesetzt. Besonders bei der Gewaltprävention werden pädagogische Fachkräfte immer wieder mit Grenzen und kritischen Punkten konfrontiert. Dabei gilt es, den Kindern professionell zu begegnen und daraus entstehend neue Lernsituationen zu ermöglichen.

Ebenfalls ist eine gute Kooperation zwischen den pädagogischen Fachkräften und den Erziehungsberechtigten unumgänglich. Die Zusammenarbeit beinhaltet vor allem, dass alle Beteiligten mit Informationen versorgt und in Projekte miteinbezogen werden. Auch eine Vereinbarung innerhalb des Teams zum Thema Prävention und Intervention muss in den Alltag und die Konzeption eingebettet sein. Dabei sind die Inhalte der Präventionsbausteine nicht nur im Zusammenhang mit allgemeiner, sondern auch mit sexualisierter Gewalt relevant. Gewaltprävention schützt nicht nur die Kinder, sondern unterstützt und fördert sie ebenfalls in diversen Entwicklungs- und Lernbereichen wie beispielsweise dem Sozialverhalten, des Durchsetzungsvermögens oder auch der Sprachförderung.

Jedoch treffen pädagogische Fachkräfte während ihrer täglichen Praxis immer wieder auf Konfliktsituationen, die im Widerspruch zu dem stehen, was Prävention vermitteln möchte. Beispiele hierfür sind Grenzen im pflegerischen Bereich oder bei intimen Situationen wie dem Wickeln.

Forschungen zeigen, dass Kinder sich eher Vertrauenspersonen offenbaren, wenn sie bereits mit präventiver Arbeit in Berührung gekommen sind und die pädagogischen Fachkräfte eine präventive Grundhaltung besitzen. Hierbei sollte die Fachkraft in der Lage sein, kompetent und einfühlsam zu reagieren und die richtigen Schritte einzuleiten. Des Weiteren sollte im Team Informationsmaterial zur Verfügung stehen, welches im Verdachtsfall an die jeweiligen Beratungsstellen verweist. Somit können sich auch geschulte Fachkräfte Beratung durch spezialisierte Fachberatungsstellen erhalten. 

Kinder können sich nicht alleine schützen

Kinder können sich nicht alleine schützen. Dafür bedarf es erwachsene Personen die Kinder in ihrer Autonomie und ihrem Selbstwertgefühl stärken. Kinder sind besonders in jungen Jahren nicht in der Lage die Verantwortung für ihren Schutz zu tragen.

Die Verantwortung liegt daher bei der erwachsenen Person und ist ein zentraler Bestandteil der pädagogischen Arbeit.

Die präventive Erziehungshaltung ermöglicht den Kindern, ihre eigenen Gefühle zu erkennen, wahrzunehmen und auch die der anderen Kinder benennen zu können. Ebenfalls dienen pädagogische Fachkräfte als sprachliches Vorbild und verwenden angemessene Erklärungen und Beschreibungen zum Thema Gewalt. Des Weiteren sollten sich die Fachkräfte von Klischee verstärkten Erziehungspraktiken distanzieren und diese verändern. Gemeinsam mit dem Team und den Kindern sollten Regeln und Grenzen für das Zusammenleben im pädagogischen Alltag festgelegt werden. Dabei liegt die Verantwortung der Einhaltung der Regeln zum Schutz der Kinder bei den erwachsenen Personen. Ebenfalls wird ein angemessener Umgang mit Nähe und Distanz formuliert und im Alltag umgesetzt. Die Kinder dürfen zu jeder Zeit selbst entscheiden wie viel Nähe sie selbst zulassen möchten.

Die Präventionsprinzipien

  • Selbstbestimmung über den eigenen Körper

Die Kinder sollen darin bestärkt werden, ihren eigenen Körper kennenzulernen und ihn als einzigartig und wertvoll zu erleben. Durch diese Steigerung des Selbstwertgefühls können Kindern sich eher gegen Übergriffe wehren und Grenzen setzen. Ebenfalls können sie durch die positive Selbstwahrnehmung ihres Körpers Übergriffe eher und gezielter benennen und sich Hilfe organisieren.

  • Die Gefühle der Kinder sind wichtig und richtig

Jedes Gefühl ist wichtig und jedes Gefühl hat seine Berechtigung. Wichtig hierbei ist es, die Kinder mit ihren eigenen Gefühlen vertraut zu machen und sie insoweit zu stärken, dass sie diese erkennen und benennen können. Nehmen die Kinder ihre eigenen Gefühle ernst, können sie Übergriffe eher wahrnehmen. Daher ist es besonders wichtig, dass die Kinder durch das pädagogische Fachpersonal lernen, ihren eigenen Gefühlen zu vertrauen und diese auch ernst zu nehmen.

  • Zwischen angenehmen und unangenehmen Berührungen unterscheiden

Hierbei müssen die Kinder darin unterstützt werden, angenehme und unangenehme Berührungen unterscheiden und benennen zu können. Die Kinder sollten besonders in ihrem Recht bestärkt werden, Berührungen jeglicher Art verneinen und ablehnen zu dürfen, auch von geliebten Menschen.

  • Der Unterschied zwischen guten und schlechten Geheimnissen

Kinder haben stets viel Freude an Geheimnissen. Dennoch gibt es auch bei Geheimnissen einen Unterschied, der den Kindern vermittelt werden muss. Besonders Täter*innen nutzen die Funktion der Geheimnisse oftmals um ihre Übergriffe geheim zu halten. Sie manipulieren die Kinder und verlangen von ihnen, die Übergriffe zu verschweigen. Hierbei handelt es sich um ein Beispiel für schlechte Geheimnisse.

Daher ist es besonders wichtig, dass die Kinder den Unterschied zwischen guten und schlechten Geheimnissen kennenlernen. Bei Geheimnissen, die zu unangenehmen und irritierenden Gefühlen führen, ist es immer richtig, diese einer vertrauten erwachsenen Person mitzuteilen.

  • Kinder dürfen Nein sagen und sind nicht schuld an Übergriffen

Jedes Kind hat Rechte. Jedes Kind darf über seinen Körper selbst bestimmen.

Um das zu können, ist es wichtig, dass die Kinder lernen eigene Grenzen zu setzen und diese zu vertreten. Sie müssen darin unterstützt werden, ihre Rechte auch gegenüber erwachsenen Personen wahrzunehmen und durchzusetzen. Jedoch kommt es immer wieder zu Situationen in denen das „Nein“ des Kindes nicht akzeptiert und übergangen wird. Die Kinder müssen lernen, dass sie in solchen Situationen keine Schuld an dem Erlebten oder dem Hinwegsetzen über ihre Ablehnung tragen.

  • Kinder darin zu bestärken, sich Hilfe zu holen, wenn sie die Situation alleine nicht bewältigen können.

Kinder sind immer bestrebt Situationen und Aufgaben selbst zu bewältigen. Jedoch geraten sie immer wieder in Situationen oder stehen vor Aufgaben, die unüberwindbar erscheinen. Daher sollten Kinder darin bestärkt werden, sich Hilfe zu holen, wenn sie es alleine nicht schaffen. Sie sollen das Gefühl erleben, dass Hilfe holen kein Zeichen von Schwäche, sondern von großem Mut darstellt.

Wichtig hierbei ist, dass die Kinder lernen, wie sie Hilfe holen können und bei wem sie diese konkret erhalten können.[1]

Prävention in unserem Alltag

  • Wir begleiten und unterstützen die Kinder bei Konflikten
  • Wir schützen die Privatsphäre der Kinder (Wickeln, Toilettengang, Umziehen)
  • Wir wiederholen die Schwerpunktthemen in den Morgenrunden
  • Wir verwenden Affirmations- und Gefühlskarten in den Morgenrunden
  • Wir begleiten die Kinder in Spielsituationen
  • Wir beobachten, vermeiden und thematisieren Ausgrenzungen
  • Wir bieten den Kindern wöchentliche Projektangebote: Kinderschutz und Gemeinsam stark
  • Wir arbeiten partizipativ (auf unserer Homepage unter „Partizipation“ beschrieben)
  • Wir stärken die Kinder in ihrer Resilienz (die Fähigkeit, mit schwierigen Lebenssituationen und Krisen umzugehen, dabei ein gutes Selbstwertgefühl zu bewahren und sich weiterzuentwickeln.)
  • Wir vermeiden Adultismus (Machtungleichheit zwischen Kindern und Erwachsenen und Infolge dessen die Diskriminierung jüngerer Menschen.)

[1] Vgl. Matthern und Zeiher: Petze-Institut für Gewaltprävention, 2. Auflage, Kiel, 2019, S.8ff